Die antiimperialistische Front: Donbass, Syrien, Venezuela (Teil 2)

Venezuela

Derzeit gibt es in Venezuela, Syrien und dem Donbass keinen Sozialismus, aber das heißt keineswegs, dass die Kommunisten sie nicht unterstützen sollten. Viele Linke erinnern sich an die Leninschen These vom „schwächsten Glied“. Dabei vergessen sie, dass ohne eine Schwächung des Zentrums ein Sieg der sozialistischen Revolution an der Peripherie nicht möglich ist. Derzeit sind die USA das Zentrum und alles übrige die Peripherie. Sowohl Venezuela als auch Syrien und der Donbass kämpfen gegen das Zentrum und leisten einer zukünftigen weltweiten sozialistischen Revolution einen unschätzbaren Dienst. Wie vor hundert Jahren wird sie am wahrscheinlichsten an der Peripherie, im „schwächsten Glied“ erfolgen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Lateinamerika ein solches Glied wird. Aber wenn es allein gegen den Hauptfeind, die USA, bleibt, so wird es nicht viele Chancen geben, zu siegen.

Außer einer revolutionären Situation im Inneren eines Landes oder in einer Gruppe von Ländern ist noch eine mehr oder weniger günstige Situation in der Welt notwendig. Die Rede ist erstens von einem Konflikt zwischen imperialistischen Staaten und zweitens vom Vorhandensein anderer Widerstandsherde gegen den Weltimperialismus. Letztere können nicht nur sozialistisch sein (Kuba, KNDR), sondern auch bürgerlich-demokratisch (Venezuela, Syrien, Donbass) oder selbst halbfeudal (Iran). Die Kommunisten müssen alle Formen des antiimperialistischen Kampfes unterstützen, selbst wenn innerhalb der Länder, die den USA Widerstand leisten, nicht die günstigste Situation für eine Revolution vorliegt. Wenn wir etwa den Iran nicht unterstützen, muss uns bewusst sein, dass derzeit die Alternative zum Ayatollah-Regime keineswegs der Sozialismus sondern der Wahhabismus ist. Und Saudi-Arabien ist, wie bekannt ist, einer der Hauptverbündeten der USA im Nahen Osten.

Einige Kommunisten treten auch gegen bürgerliche Bündnisse in Lateinamerika ein. Dies führe zu nichts außer zu einer Stärkung der Positionen des örtlichen Kapitals. Nach ihrer Meinung ist ein solches Bündnis nicht nur UNASUR, das bei aktiver Beteiligung Venezuelas und ohne Beteiligung der USA geschaffen wurde, sondern selbst ALBA, zu dem Kuba gehört. Dass sie bürgerlich sind, ist nicht der Streitpunkt. Aber wo sollen in Lateinamerika sozialistische Bündnisse herkommen? Die derzeitige Konstellation der Klassenkräfte auf dem Kontinent erlaubt es den revolutionären Kräften nur dann einen mehr oder weniger erfolgreichen Kampf gegen den amerikanischen Imperialismus zu führen, wenn sie ein zeitweiliges Bündnis mit dem örtlichen Kapital (beispielsweise dem brasilianischen) und /oder dem Kapital eines anderen Teils der Peripherie (beispielsweise dem russischen) eingehen. In der vorhandenen Situation besteht der Zweck des Bündnisses nicht darin, die Positionen des schwächeren Kapitals zu stärken, sondern in gemeinsamen Anstrengungen den amerikanischen Imperialismus zu überwinden und danach bereits zum Kampf gegen den Imperialismus im allgemeinen überzugehen.

Aber für ein zeitweiliges Bündnis mit dem örtlichen Kapital muss die Bolivarische Revolution noch kämpfen, wovon der kürzliche Austritt von sechs Ländern – Argentinien, Brasilien, Chile, Kolumbien, Peru und Paraguay – aus UNASUR zeugt. Sie sind natürlich nicht ausgetreten, um ein sozialistisches Bündnis zu schaffen, sondern um in den „Hinterhof“ der USA zurückzukehren. Die Bolivarische Revolution durchlebt derzeit einen kritischen Augenblick. Während sich vor fünf Jahren ein lateinamerikanischer Präsident nach dem anderen unter die Fahnen des „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ stellte, so ist jetzt ein ganz andere Situation entstanden. Der amerikanische Imperialismus erobert überall ohne besondere Mühe verloren Positionen zurück, nur nicht dort, wo soziale Transformationen revolutionären Charakter tragen, beispielsweise in Venezuela.

Karl Marx ist in seinem Werk „Der 18. Brumaire des Louis Bonaparte“ durch das Studium der Erfahrung der Revolution von 1848 zu dem Schluss gekommen, dass es notwendig ist, den Staatsapparat zu zerschlagen. In den Jahren 1917-1918 wurde er in Russland durch die Einrichtung der Sowjetmacht und die Auflösung der verfassungsgebenden Versammlung zerschlagen. Aber es ist naiv anzunehmen, dass es so überall und immer geschehen wird. In Venezuela hat das Zerschlagen des Staatsapparats andere Formen angenommen. Noch Hugo Chávez hat begonnen, eine erfolgreiche Politik des Austauschs reaktionärer proamerikanisch eingestellter Offiziere durch jungen patriotische Offiziere auf verantwortlichen Posten durchzuführen. Nicolas Maduro berief eine verfassungsgebende Versammlung ein und löste das Parlament auf, das die proamerikanische Opposition kontrollierte. Solche Maßnahmen können noch nicht Diktatur des Proletariats genannt werden, doch sie gehen zweifellos über den Rahmen der traditionellen bürgerlichen Demokratie hinaus.

Das Wesen der Leninschen Definition „permanente Revolution“ besteht darin, dass unmittelbar auf eine bürgerliche Revolution eine sozialistische folgen muss. Diesen Schluss zog Wladimir Lenin bereits während der ersten russischen Revolution. Aber dies bedeutet keineswegs, dass eine sozialistische Revolution ein einzelner Akt ist. Mitte 1917 haben die Bolschewiki zeitweilig von der Losung „Alle macht den Sowjets!“ Abstand genommen, weil das Kräfteverhältnis in den Sowjets nicht zu ihren Gunsten war. So wird auch in Venezuela der Sozialismus nicht deshalb nicht eingeführt, weil die Bolivarische Regierung das nicht will, sondern weil sie es nicht kann, das Verhältnis der Klassenkräfte es nicht erlaubt. Aber das wichtigste ist, dass der revolutionäre Prozess weitergeht und in Richtung Sozialismus weitergeht.

Um im Kampf gegen einen kräftemäßig überlegenen Feind, die Vereinigten Staaten, bestehen zu können, ist es für Venezuela lebensnotwendig, die zwischenimperialistischen Widersprüche zu nutzen. Und wenn das zeitweilige Bündnis mit dem lateinamerikanischen Kapital gegen den US-Imperialismus zerfällt, so muss Nutzen aus einem Bündnis mit einem anderen Konkurrenten des Hauptfeindes, beispielsweise Russland, gezogen werden. Während Washington weitere Sanktionen gegen Caracas verhängt, um die Revolution an die Wand zudrücken, weitet die Bolivarische Regierung die Zusammenarbeit mit russischen Unternehmen aus.

Noch im Mai 2013 haben das russische Unternehmen „Rosneft“ und die venezolanische Corporacion Venezolana del Petroleo (CVP), eine Tochtergesellschaft des Unternehmens PDVSA, ein Abkommen über die Gründung des gemeinsamen Unternehmens Petrovictoria zum Abbau von Vorräten an schwerem Erdöl in Venezuela im Rahmen des Projekts „Karabobo-2/4“ unterzeichnet. Die Anteile von Petrovictoria sind zwischen „Rosneft“ und PDVSA im Verhältnis von 40% zu 60% aufgeteilt. Venezolanische und russische Unternehmen sind an einigen gemeinsamen Projekten zur Erdölförderung in dem lateinamerikanischen Land beteiligt. Außerdem gibt es gemeinsame Aktivitäten im Rahmen der Projekte Petromiranda, Petromonagas, Boqueron und Petroperija. Im Dezember 2017 hat das Erdölministerium Venezuelas „Rosnef“ eine Lizenz zur Ausbeutung der Schelflgasfelder Patao und Mejillones für einen Zeitraum von 30 Jahren erteilt. Das russische Unternehmen ist Operator des Abbaus und kann die gesamte Fördermenge exportieren. Die Geologischen Gasvorräte der zwei Gasfelder betragen 180 Mrd. Kubikmeter. Die Zielmarge für den Abbau beträgt 6,5 Mrd. Kubikmeter Gas im Jahr über 15 Jahre. In den letzten Jahren haben Venezuela und Russland eine ganze Reihe von Verträgen abgeschlossen, in deren Rahmen „Rosneft“ für PDVSA Mittel bereit gestellt hat, und letzteres hat die Tilgung der Vorauszahlungen in Form von Erdöl und Erdölprodukten gewährleistet. Ende Februar 218 hat das russische Unternehmen bereits 50% der Gesamtschuld von PDVSA im Umfang von 6,5 Mrd. Dollar erhalten.

Ein anderes russisches Unternehmen „Gasprom“ betreibt in Venezuela Dienstleistungsprojekte und geologische Erkundung. Im Jahr 2008 wurde mit PDVSA ein gemeinsames Unternehmen, Servicios Venrus S.A., gegründet, bei dem der Anteil von „Gasprom“ 40% beträgt, Ziel ist der Bau von Objekten der Erdöl- und Erdgasindustrie, Einrichtung und Reparatur von Kompressorenstationen in Industrieobjekten, die Aufbereitung von Erdölschlammlagern, Bohrungen, grundlegende Reparatur von Bohrlöchern u.s.w. Im Verlauf des Jahres 2010 wurden die Projekte „Jusepin-120“ und „Santa Rosa-18“ realisiert. Im Jahr 2013 wurde im Rahmen des Projekts „San Joaquin“ ein Komplex von geologisch-geophysischen Untersuchungen an den Lagerstätten San Joaquin, El Roble und Guarico abgeschlossen.

Heute sind die USA bestrebt, den Import von venezolanischem Erdöl zu beschränken oder sogar ganz zu verbieten. Im Zusammenhang damit, dass die Wirtschaft Venezuelas auf der Förderung von Erdöl und Erdgas beruht, ist die Zusammenarbeit mit Russland eine Überlebensfrage für die Bolivarische Revolution. Mehr noch, eine Revolution muss sich verteidigen können, deshalb erhält Venezuela außer Krediten, Technologien und Ausrüstung aus Russland auch Waffen. Seit 2005 wurden Flugzeuge, Hubschrauber, Panzer, Luftabwehrkomplexe, Artillerie, Mehrfachraketenwerfer, Panzertechnik, Kalaschnikow-Maschinengewehre dorthin geliefert. Im Jahr 2014 hat das lateinamerikanische Land den fünften Platz bei den russischen Waffenexporten eingenommen.

Im Jahr 2018 planen Venezuela und Russland den Handel um 30% zu steigern. Im letzten Jahr ist es gelungen, den Umfang des gegenseitigen Warenaustausches auf 459 Mio. Dollar bringen. Im Fall der Verwirklichung der Pläne wird diese Zahl 596 Mio. erreichen. Und geplant sind eine Zusammenarbeit im militärischen, Gas- und Erdölsektor, Eisenbahnprojekte in Venezuela, die Produktion von Lebensmitteln und von Ausrüstung für die Förderindustrie. Russland und Venezuela schließen die Möglichkeit des Beginn der Montage von Fahrzeugen in Venezuela nicht aus. Erörtert werden Themen der Produktion von Impfstoffen in Venezuela, von Investitionsprojekten im Gebiet Arco Minero, das durch seine Goldvorräte bekannt ist, die Produktion von Ausrüstung für die Erzeugung von Lebensmitteln in einem landwirtschaftlichen Komplex im Bundesstaat Anzoátegui.

Eine solche Zusammenarbeit kann ohne Übertreibung als gegenseitig vorteilhaft bezeichnet werden, weil dass russische Kapital bestrebt ist, den amerikanischen Konkurrenten zurückzudrängen und die venzolanische Revolution bestrebt ist, standzuhalten. Die USA nennen nur solche Beziehungen „gegenseitig vorteilhaft“, die es ihnen erlauben, andere Völker zu versklaven. Der russische Imperialismus ist bisher aufgrund seiner Schwäche und keineswegs aufgrund des fehlenden Wunsches in Lateinamerika dazu nicht in der Lage.

Fortsetzung folgt

Stanislaw Retinskij, Sekretär des ZK der KP der DVR

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