Die antiimperialistische Komponente des Konflikts im Donbass und im Nahen Osten

Redebeitrag des Sekretärs des ZK der KP der DVR Stanislaw Retinskij bei einem Treffen mit Vertretern der Partei der Arbeit (Türkei) in Instanbul.

Obwohl es im Donbass keinen Sozialismus gibt, schaffen die DVR und LVR, indem sie Kiew Widerstand leisten, letztendlich die notwendigen Bedingungen für eine zukünftige sozialistische Weltrevolution. Hinter dem Rücken der ukrainischen Oligarchen steht der amerikanische Imperialismus, je breiter also die antiimperialistische Front, zu der seit kurzem auch der Donbass gehört, ist, desto schwächer sind die USA und desto größer die Chancen der Revolution auf einen Sieg. Das amerikanische Kapital ist bestrebt, die herrschenden Positionen auf dem europäischen Energiemarkt einzunehmen, wo die Ukraine eine der Schlüsselfiguren im Kampf gegen den russischen Konkurrenten ist. Unter anderem befinden sich hier die Gasleitungen, die das Erdgas aus Russland in die EU befördern, sowie Kohlebergwerke, deshalb ist die Vernichtung der ukrainischen Industrie und Infrastruktur eine der vorrangigen Aufgaben der USA und Europas.

Das russische Kapital strebt im Unterschied zum amerikanischen nicht zur Herrschaft über den europäischen Kontinent. Derzeit ist es nicht nur gegen den US-Imperialismus nicht konkurrenzfähig sondern auch nicht gegen den der EU. Seine grundlegende Aufgabe ist es, die Konkurrenten soweit zurückzudrängen, wie dies für einen unterbrechungsfreien Export von Energieressourcen notwendig ist. Völlig richtig urteilen die Marxisten, die sagen, dass das heutige Russland ein imperialistischer Staat ist, der nach dem Beispiel der westlichen Konkurrenten imperialistische Bündnisse schafft. Falsch ist nur die These, dass Marxisten solche Bündnisse nur aus dem Grund nicht unterstützten dürfen, weil sie nicht direkt Nutzen für die Werktätigen in sich bergen.

Die Geschichte hat gezeigt, dass eine kluge Nutzung zwischenimperialistischer Widersprüche eine der Bedingungen für den Sieg der sozialistischen Revolution ist. „Wir haben im Krieg nicht deshalb gesiegt, weil wir stärker waren“, sagte Wladimir Lenin im Jahr 1921, „sondern deshalb, weil wir als die Schwächeren die Feinschaft zwischen kapitalistischen Staaten ausgenutzt haben“ (LW, Band 32, S. 320). Heute befindet sich die kommunistische Bewegung in weitaus schlechteren Bedingungen als vor hundert Jahren, deshalb hat das Studium der Beziehungen der Klassenkräfte in der Welt und die Nutzung von Widersprüchen zwischen imperialistischen Gruppierungen, soweit dies unter heutigen Bedingungen überhaupt möglich ist, eine besondere Bedeutung.

Moskau, das die Interessen der russischen Korporationen vertritt, ist gezwungen in einen Konflikt mit Washington einzutreten. Die USA ihrerseits sind nicht einfach ein imperialistischer Staat, sondern das Zentrum der weltweiten Reaktion, entsprechend fallen die Interessen des Weltimperialismus mit den Interessen der USA zusammen. Im Zusammenhang damit ist Russland, um sich einen Teil des Markts zu erkämpfen, ob es will oder nicht, gezwungen antiamerikanische Kräfte in der ganzen Welt zu unterstützen. Darin besteht das Wesen der zwischenimperialistischen Widersprüche heute. Der Fehler ist nur der, dass einige Linke versuchen diesen Widerspruch als antiimperialistische Politik Russlands auszugeben. Aber in einigen Fällen muss Moskau tatsächlich antiimperialistische Kräfte einschließlich Venezuela, Syrien, den Donbass unterstützen.

Viele Linke erinnern sich an die Leninschen These vom „schwächsten Glied“. Dabei vergessen sie, dass ohne eine Schwächung des Zentrums ein Sieg der sozialistischen Revolution an der Peripherie nicht möglich ist. Derzeit sind die USA das Zentrum und alles übrige die Peripherie. Sowohl Venezuela als auch Syrien und der Donbass kämpfen gegen das Zentrum und leisten einer zukünftigen weltweiten sozialistischen Revolution einen unschätzbaren Dienst. Wie vor hundert Jahren wird sie am wahrscheinlichsten an der Peripherie, im „schwächsten Glied“ erfolgen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Lateinamerika ein solches Glied wird. Aber wenn es allein gegen den Hauptfeind, die USA, bleibt, so wird es nicht viele Chancen geben, zu siegen.

Außer einer revolutionären Situation im Inneren eines Landes oder in einer Gruppe von Ländern ist noch eine mehr oder weniger günstige Situation in der Welt notwendig. Die Rede ist erstens von einem Konflikt zwischen imperialistischen Staaten und zweitens vom Vorhandensein anderer Widerstandsherde gegen den Weltimperialismus. Letztere können nicht nur sozialistisch sein, sondern auch bürgerlich-demokratisch oder selbst halbfeudal. Die Kommunisten müssen alle Formen des antiimperialistischen Kampfes unterstützen, selbst wenn innerhalb der Länder, die den USA Widerstand leisten, nicht die günstigste Situation für eine Revolution vorliegt. Wenn wir etwa den Iran nicht unterstützen, muss uns bewusst sein, dass derzeit die Alternative zum Ayatollah-Regime keineswegs der Sozialismus sondern der Wahhabismus ist. Und Saudi-Arabien ist, wie bekannt ist, einer der Hauptverbündeten der USA im Nahen Osten.

Der Nahe Osten ist in erster Linie ein Ort der Konfrontation zwischen Iran und Saudi-Arabien. Aber in diesen Konflikt sind wie bei jedem anderen Konflikt in der Epoche des Imperialismus größere Spieler einbezogen. So hat der Iran unter anderem die Unterstützung Russlands, Saudi-Arabien der USA. Der iranisch-saudiarabische Konflikt ist in vielen Ländern des Nahen Ostens einschließlich Syriens zu beobachten, was Teil des Kampfes um Einflussbereiche auf dem weltweiten Energiemarkt ist. Die übrigen Länder des Nahen Ostens sind gezwungen, zwischen den zwei Lagern zu lavieren. Ein Beispiel dafür ist die Türkei, die während des gesamten Konflikts in Syrien mehrfach ihre Position gewechselt hat. Genauer gesagt, sie bleibt unverändert und läuft auf das Bestreben hinaus, eine gegenseitige Schwächung des Iran und Saudi-Arabiens zu erreichen, den Konflikt zwischen den USA und Russland zu nutzen, um ihre Positionen im Nahen Osten zu stärken.

In der derzeitigen Situation ist die kurdische Frage nicht einfach. Auf der einen Seite sind Kommunisten verpflichtet, sowohl den antiimperialistischen Kampf Syriens als auch das Recht der Kurden auf Selbstbestimmung zu unterstützen. Auf der anderen Seite müssen sie darauf hinweisen, dass es in der Epoche des Imperialismus keine nationalen Befreiungskriege geben kann. Richtig wäre es, solche Kriege nationale Versklavungskriege zu nennen. Wenn die Kurden ihre Unabhängigkeit von Syrien erreichen, befinden sie sich gleichzeitig unter starkem Einfluss der USA. Die USA versuchen den „kurdischen Korridor“ für ihre imperialistischen Interessen zu nutzen. Nach einigen Informationen besteht der Zweck dieses Korridors darin, das kurdische Erdöl und Gas aus dem Nordirak durch Nordsyrien in den Westen und in erster Linie auf die europäischen Energiemärkte zu transportieren.

Wir Kommunisten der DVR setzen die Verdienste der Kurden im Kampf gegen den IS in keiner Weise herab, wir zweifeln nicht daran, dass bei ihnen sozialistische Ideen weit verbreitet sind und sie das volle Recht auf Selbstbestimmung haben. Aber die kurdischen Genossen müssen begreifen, dass derzeit die Alternative zum „Regime Assad“ keineswegs der Sozialismus ist, sondern der amerikanische Imperialismus und die saudische Monarchie. Die Amerikaner werden keinerlei „Großkurdistan“ im Nahen Osten zulassen. Im Gegenteil, sie werden alles tun, um die Kurden zu spalten.

Die Schwächung der Positionen der USA im Nahen Osten wirkt zweifellos günstig auf die revolutionäre Situation in der Welt aus. Es ist bekannt, dass der „linke Umschwung“ in Lateinamerika nicht zuletzt stattfinden konnte, weil die USA im Irak und in Afghanistan in Kriegshandlungen verstrickt waren. Jetzt ist die Lage der Amerikaner im Nahen Osten um einiges schlechter als vor 15 Jahren. Der Iran und Russland fechten Positionen der USA und ihrer Verbündeten in der Region an. Washington muss, um als Sieger aus dem syrischen Konflikt hervorzugehen, zwangsläufig weitaus mehr Ressourcen ausgeben als im Irak oder in Afghanistan. Und es ist weitaus besser, wenn ein Teil der amerikanischen militärischen und finanziellen Ressourcen im Nahen Osten bleibt, als wenn sie vollständig auf Sabotageaktivitäten in Venezuela, Kuba, Nicaragua, Bolivien und anderen Ländern Lateinamerikas gerichtet werden.

Indem der Donbass dem Schlag des US-Imperialismus standhält,, hilft er auch dem Sozialismus in Lateinamerika. Dabei bedeutet die Unterstützung der DVR und der LVR von Seiten Russlands keineswegs, dass letzteres den Konflikt provoziert hat. Im Gegenteil, der Konflikt in der Ukraine hat als innerer begonnen und ist dann in einen internationalen übergegangen. Natürlich strebt die Kommunistische Partei der DVR danach, dass der Kampf im Donbass sozialistischen Charakter trägt und nicht bürgerlich-demokratischen. Aber die Politik ist die Kunst des Möglichen und das Mögliche ist durch das Verhältnis der Klassenkräfte in der internationalen Arena bestimmt, die sich noch nicht zu Gunsten des Sozialismus gestalten. Aber die Chancen für einen Ziel erhöhen sich, wenn die Kommunisten der ganzen Welt, einschließlich der Türkei und der Donezker Volksrepublik, sich in ihren Anstrengungen im Kampf für den Sozialismus vereinen.

ЧИТАЙТЕ ТАКЖЕ...